Nachfolgend möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick geben, was Pränataldiagnostik beinhaltet. Diese Ausführungen ersetzen keine persönliche ärztliche Beratung.
Vorgeburtliche (pränatale) Diagnostik
Hintergrund
Die westlichen Industrienationen verzeichnen weiterhin ein ansteigendes Alter der Schwangeren bei Geburt ihrer ersten Kinder. Mit fortschreitendem Alter der Schwangeren kommen fetale Chromosomenstörungen häufiger vor. Die häufigsten chromosomalen Aneuploidien sind hierbei Trisomie 13 (Pätau-Syndrom), Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) und Trisomie 21 (Down-Syndrom). Während sich Kinder mit einer Trisomie 13 und 18 durch schwere geistige Behinderung und oft gravierende organische Fehlbildungen auszeichnen und zumeist im Mutterleib oder unmittelbar nach der Geburt versterben, finden sich bei Kindern mit Down-Syndrom neben einer geistigen Retardierung eventuell Organfehlbildungen milder bis schwerer Ausprägung (u.a. Herzfehler). Menschen mit Trisomie 21 haben inzwischen eine mittlere Lebenserwartung von ca. 50-60 Jahren.
Viele Eltern stellen sich die Frage, ob bei ihrem ungeborenen Kind eine mögliche geistige Behinderung oder körperliche Fehlbildung vorliegt. Jede Schwangere in Deutschland hat heute Zugang zur vorgeburtlichen Diagnostik mittels derer sich untersuchen lässt, ob sich ein Kind zeitentsprechend entwickelt und/oder ob Hinweise auf Fehlbildungen existieren.
Die vorgeburtliche Diagnostik umfasst verschiedene Untersuchungen, mit deren Hilfe der Gesundheitszustand ungeborener Kinder überprüft wird. Es hängt von der speziellen Fragestellung (wie z.B. mütterliches Alter, familiäre Vorbelastung, eigene Vorerkrankungen, auffälliger Ultraschallbefund) und der Schwangerschaftswoche ab, welche Methode eingesetzt wird. Zwar kann keine dieser Untersuchungen ein vollkommen gesundes Kind garantieren, aber bei einer möglichst guten Geburtsvorbereitung oder Therapieempfehlung helfen.
1) Ersttrimester-Screening (12.-13. SSW)
Die heute verfügbare Ultraschalltechnologie ermöglicht bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel eine gezielte Untersuchung des Kindes. Das Ersttrimester-Screening (ETS oder auch „kombiniertes Screening“) beinhaltet die Messung der Nackentransparenz und biochemischer Parameter (freies ß-HCG und Pregnancy Associated Plasma Protein A).
Die Beurteilung der sog. Nackentransparenz ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Untersuchung. Hierbei handelt es sich um eine Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Nackens, die bei jedem Kind vorhanden ist. Durch das ETS erfolgt eine vorgeburtliche Risikobeurteilung bezüglich bestimmter Chromosomenveränderungen (Trisomie 21, 18 und 13) zwischen den Scheitel-Steiß-Längen von 45-84 mm (etwa 11+0 bis 13+6 SSW).
Eine normale Nackentransparenz ist Ausdruck eines niedrigen Risikos bezüglich der genannten Chromosomenveränderungen. Der Nachweis einer verdickten Nackenfalte kann mit einem erhöhten Risiko für eine Chromosomenanomalie aber auch mit bestimmten Fehlbildungen (z.B. Herzfehler) verbunden sein. Die frühe Fehlbildungsdiagnostik lässt sich nicht vom ETS trennen: Die Ultraschalluntersuchung des Feten im Rahmen des ETS ermöglicht auch die differenzierte Beurteilung des Kindes und ist unverzichtbarer Bestandteil einer vollwertigen Beurteilung des Feten am Ende des ersten Trimenons, da angeborene Fehlbildungen deutlich häufiger sind als chromosomale Veränderungen. Zu diesem frühen Zeitpunkt können ca. 55-65% der Fehlbildungen erkannt werden.
Seit den 1990er-Jahren etabliert stellt diese Methode immer noch den Standard der Risikobeurteilung dar und ermöglicht eine Entdeckungsrate für das Down-Syndrom von etwa 87-90% bei einer falsch-positiven Rate von 3-3,5%. Zur Wahrung der Messqualität des einzelnen Untersuchers muss nach einer Erst-Zertifizierung ein jährliches Audit erfolgen.
Bitte beachten Sie:
Das Ersttrimester-Screening ist kein Bestandteil der regulären Vorsorgeuntersuchungen. Die Kosten für Beratung, Ultraschall- und Laboruntersuchung werden nach aktuellem Kenntnisstand nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
2) Nichtinvasiver pränataler Test (NIPT)
Bereits 1997 entdeckten Lo et al. (1) zellfreie fetale DNA (cffDNA) im mütterlichen Blut. Diese cffDNA stammt nicht direkt vom heranwachsenden Kind sondern maßgeblich aus der Plazenta (Zytotrophoblast). Über den Austausch zwischen Mutter und Kind im Mutterkuchen gelangt sie in den mütterlichen Blutkreislauf.
Die Verfügbarkeit neuer Technologien zur DNA-Analyse machte eine differenziertere Auswertung dieser DNA möglich. 2011 wurde der erste Screeningtest eingeführt (zunächst zur Entdeckung der 3 häufigsten Trisomien: Trisomie 13, 18 und 21). Die Einführung des sog. nicht invasiven pränatalen Tests (NIPT) im Jahre 2012 hat in Deutschland eine neue Ära der Pränataldiagnostik eingeleitet.
Schwangere haben nun eine weitere risikoarme Alternative zu herkömmlichen invasiven Diagnostikmethoden. Zukünftig wird mit einer deutlichen Erweiterung des Untersuchungsspektrums des NIPT zu rechnen sein.
Am weitesten verbreitet sind Tests zum Nachweis chromosomaler Aneuploidien (Trisomie 13, 18, 21). Diese werden auch in Kombination mit einer fetalen Geschlechtsbestimmung und/oder quantitativen Analyse der Geschlechtschromosomen (Monosomie X = Turner-Syndrom; XXY = Klinefelter-Syndrom) angeboten. Das Testergebnis liegt in der Regel 5-10 Tage nach der mütterlichen Blutentnahme vor.
Zahlreiche Laboratorien haben inzwischen unterschiedliche Testsysteme und Analysemethoden entwickelt, die einen Nachweis der Trisomie 21 und 18 mit hoher Sensitivität und Spezifität ermöglichen. Die Sensitivität für Trisomie 13, Turner- und Klinefelter-Syndrom sind etwas geringer. Mittlerweile wird der NIPT auch im sog. Normalkollektiv (also Frauen ohne Risikohintergrund) durchgeführt. Der positive prädiktive Wert (d.h. wie viele Personen, bei denen eine bestimmte Krankheit mittels eines Testverfahrens festgestellt wurde, auch tatsächlich krank sind) ist aber im Normalkollektiv aufgrund des geringeren Vorkommens der Aneuploidien niedriger einzuschätzen. Der Einsatz zum Screening auf Turner- und Klinefelter-Syndrom sowie auf Mikrodeletionssyndrome (u.a. DiGeorge-Syndrom) kann auf Basis der vorliegenden Daten derzeit nicht uneingeschränkt empfohlen werden.
Nach wie vor wird die Präzision der pränatalen genetischen Diagnostik aus Chorionzotten oder Fruchtwasserzellen nicht erreicht. Deshalb werden die NIPTS lediglich als Screening und nicht als diagnostische Tests eingestuft.
Bevor aus dem Befund eine klinische Konsequenz gezogen wird, muss ein auffälliges cffDNA-Testergebnis immer durch einen invasiven Eingriff (Chrorionzottenbiopsie, Amniozentese) abgeklärt werden.
Mit der NIPT lassen sich nicht alle genetischen Veränderungen entdecken. Sie ersetzt nicht den Ultraschall: Kindliche Fehlbildungen werden damit nicht erkannt!
Daher führen wir den NIPT nur nach bzw. in Verbindung mit einem qualifizierten Ultraschall und nach entsprechender Aufklärung durch. Die cffDNA-Analysen unterliegen in Deutschland dem Gendiagnostikgesetz.
Die Kosten des Ultraschalls werden nicht von den Krankenkassen übernommen.
(1)Lo, Corbetta, Chamberlain, Rai, Sargent, Redman, Wainscoat (1997)
Presence of fetal DNA in maternal plasma and serum. Lancet 3500: 485-487
3) Chorionzottenbiopsie
Der Mutterkuchen (in der Frühschwangerschaft Chorion genannt) stammt von der befruchteten Eizelle ab. Daher können Zellen daraus zur Untersuchung kindlicher Chromosomen herangezogen werden. Der Vorteil dieser sog. Chorionzottenbiopsie ist, dass eine Chromosomenuntersuchung sehr früh in der Schwangerschaft vorgenommen werden kann.
Gründe sind z.B.:
- hohes Risiko im Ersttrimester-Screening (siehe dort)
- Auffälligkeiten im Ultraschall
- Erbkrankheiten
- Stoffwechselstörungen
Wie läuft eine Chorionzottenbiopsie ab?
Bei der Chorionzottenbiopsie wird eine dünne Nadel unter ständiger Ultraschallkontrolle durch die mütterliche Bauchwand in die Plazenta geführt. Bei der Punktion werden einige winzige Gewebestücke entnommen. Während des Eingriffs verspüren die meisten Frauen ein stärkeres Ziehen im Bauch.
Zeitpunkt der Chorionzottenbiopsie:
Die Punktion wird frühestens ab 11 vollendeten Schwangerschaftswochen (ab 11 + 0 SSW) durchgeführt.
Das Ergebnis liegt nach Direktpräparation meist innerhalb von 1-2 Arbeitstagen vor (nach Langzeitkultur in ca. 10-12 Arbeitstagen).
Chorionzottenbiopsie und Amniozentese (siehe unten) haben vergleichbare mütterliche und kindliche Komplikationen. Weder bei Chorionzottenbiopsie noch bei der Amniozentese ist eine örtliche Betäubung notwendig.
4) Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese)
Einige angeborene Krankheiten, die durch eine Störung in den Erbanlagen (sog. Chromosomenanomalien) bedingt sind, lassen sich schon in den ersten Monaten der Schwangerschaft durch eine Untersuchung der im Fruchtwasser schwimmenden kindlichen Zellen feststellen. Auch einige schwere Störungen des Stoffwechsels oder der Entwicklung des Zentralnervensystems sind durch die Untersuchung des Fruchtwassers (z.B. Alpha- Fetoprotein- Bestimmung) zum Ausschluss einer Spaltenbildung im Rücken-/Bauchbereich frühzeitig erkennbar.
Der Chromosomensatz des ungeborenen Kindes kann in der Regel nach einer ca. zweiwöchigen Zellkultur ermittelt werden. In besonderen Fällen kann nach Absprache eine zusätzliche Diagnostik (FISH/PCR-Test) angeboten werden. Es muss aber betont werden, dass nicht alle angeborenen krankhaften Veränderungen vor der Geburt erfassbar sind.
Gründe für eine Fruchtwasseruntersuchung sind:
- mütterliches Alter über 35Jahre
- erbliche Chromosomenstörung der Eltern
- erbliche Chromosomenstörung bei Geschwisterkindern
- familiäre Häufung erblich bedingter Erkrankungen
- bestimmte Stoffwechselerkrankungen
- Fehlbildungen der Wirbelsäule oder des Gehirns bei
Geschwisterkindern (Spina bifida oder Anenzephalus)
- mütterliche bzw. väterliche Ängste
- auffälliger Ultraschall, Verdacht auf kindliche Fehlbildung
- auffällige Ergebnisse der Screeninguntersuchungen (z.B. Triple -Test)
Zeitpunkt der Untersuchung:
Der optimale Zeitpunkt für eine Fruchtwasserpunktion ist zwischen der 15.-17. Schwangerschaftswoche. Soll jedoch eine frühere genetische Untersuchung erfolgen, so ist aufgrund des niedrigeren Komplikationsrisikos eine sog. Chorionzottenbiopsie (siehe dort) zu empfehlen.
Wie läuft eine Amniozentese ab?
Bei der Amniozentese wird eine sehr dünne Nadel unter ständiger Ultraschallkontrolle durch die mütterliche Bauchwand eingeführt. Es werden ca. 10 ml Fruchtwasser entnommen. Insgesamt dauert die Punktion etwa 1-2 Minuten und verursacht nur ein leichtes Ziehen im Bauch.
Risiken der Untersuchung:
Auf ca. 200 Fruchtwasserpunktionen (0,5%) ist mit einer Fehl -oder Frühgeburt infolge der Wehentätigkeit der Gebärmutter, Blutungen oder Fruchtwasserabgang zu rechnen. Nadelverletzungen des Kindes sind hingegen extrem selten. Ebenfalls gering sind die Gefahren für die Mutter (z.B. Infektionen oder Blutungen).
Hinweis:
Nach einer invasiven Diagnostik werden zwar bestimmte Chromosomenstörungen ausgeschlossen. Trotzdem bleibt grundsätzlich ein Basisrisiko für andere Erkrankungen und Fehlbildungen bestehen. Auch geistige Behinderungen oder Stoffwechselerkrankungen können in der Regel nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Was müssen Sie nach der Punktion beachten?
Falls es zu Komplikationen nach einer Punktion kommt, treten diese meistens innerhalb der ersten 24 Stunden auf. Deshalb raten wir Ihnen, am Punktionstag und am nächsten Tag sich zu Hause auszuruhen. Vermeiden Sie schwere körperliche Tätigkeiten wie z.B. häufiges Treppensteigen, schweres Heben oder Sport. Wenn Sie berufstätig sind, stellt Ihnen Ihre Frauenärztin/Ihr Frauenarzt eine Krankmeldung aus. Ein bis zwei Tage nach dem Eingriff sollte bei Ihrer Frauenärztin/Ihrem Frauenarzt eine Kontrolluntersuchung erfolgen. Im Falle von Komplikationen (Blutung, Flüssigkeitsabgang, starke Bauchschmerzen) sollten Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt oder Ihre Klinik aufsuchen.
5) Fehlbildungsultraschall („großer Ultraschall“)
Im Rahmen der Schwangerschaftsuntersuchung sind routinemäßig 3 Ultraschalluntersuchungen vorgesehen. Diese Leistungen führt in der Regel der betreuende Frauenarzt durch. In manchen Fällen ist eine Feindiagnostik notwendig (sog. Fehlbildungsultraschall oder „großer Ultraschall“). Dieser spezielle Ultraschall erfolgt zwischen der 20. bis 22. Schwangerschaftswoche und dient
- dem genauen Vermessen des Kindes
- der Beurteilung der Fruchtwassermenge
- der speziellen Fehlbildungsdiagnostik, wobei einzelne kindliche Organe
von „Kopf bis Fuß“ genau angesehen und beurteilt werden
- der Beurteilung des Sitzes des Mutterkuchens und der Versorgung der
Gebärmutter.
Mit dieser Fehlbildungsdiagnostik können nur anatomische Auffälligkeiten, die sich auch im Ultraschall darstellen lassen, an einzelnen Organen erkannt werden. Durch eine Ultraschalluntersuchung ist es nicht möglich, eine kindliche Chromosomenerkrankung bzw. genetische Erkrankung mit absoluter Sicherheit auszuschließen. Diese gilt z.B. für die häufigste Chromosomenstörung, das Down-Syndrom (Trisomie 21). Des Weiteren können auch Stoffwechselerkrankungen des ungeborenen Kindes nicht durch Ultraschall erkannt werden. Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer kindlichen Erkrankung bei unauffälliger Organuntersuchung ist allerdings sehr gering.
Finden sich dagegen bei der Untersuchung Hinweiszeichen für eine Chromosomenstörung, kann auf Wunsch der Eltern eine invasive Diagnostik durchgeführt werden. Solche Hinweiszeichen können aber auch Normvarianten darstellen und beinhalten nicht zwangsläufig eine Erkrankung des Kindes.
Schickt Ihr Frauenarzt Sie zu uns mit dem Verdacht auf eine Auffälligkeit bzw. sollten Fehlbildungen bei der Ultraschalluntersuchung bei uns gefunden werden, bieten wir Ihnen eine ausführliche Beratung sowie eine genetische Untersuchung an. Wir kooperieren mit der humangenetischen Praxis von Frau Prof. Gödde (Bielefeld). Denn in einer solchen Situation ist es wichtig, dass Sie sowohl medizinische als auch nicht-medizinische Begleitung bekommen. Falls notwendig, ziehen wir Experten anderer Fachrichtungen hinzu (Kinderärzte, Kardiologen, Kinderchirurgen).
6) Was ist „Plazentainsuffizienz"?
Eine Plazentainsuffizienz liegt vor, wenn der Mutterkuchen die Versorgung des Kindes nur eingeschränkt gewährleistet. Durch die Mangelversorgung kann die Entwicklung des Kindes in der Gebärmutter vermindert sein, so dass das Baby im Schwangerschaftsverlauf nicht mehr entsprechend wächst. Mit Hilfe der Dopplersonographie (siehe dort) ist es möglich, das Wohlergehen des ungeborenen Kindes zu überwachen.
Die Doppleruntersuchung kann in folgenden Situationen sinnvoll sein:
- Fehlbildungen des Kindes
- Mehrlingsschwangerschaften
- kindliche Wachstumsstörung
- schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck der Mutter
- Auffälligkeiten der kindlichen Herzfrequenz bzw. Herzfehler
- Schwangerschaftsdiabetes
7) Schädigung durch Ultraschall?
Seit etwa den 1980-er Jahren wird Ultraschall als diagnostisches Mittel bei Frauen eingesetzt. Hierbei treten nach derzeitiger Erkenntnis keine schädigenden Strahlen auf (wie z.B. Röntgenstrahlen). Deshalb sind keine beeinträchtigenden Wirkungen auf das ungeborene Kind bekannt.